Fliege (im Thread "Menschheitsformel - Kant") wrote:
Hinweis auf frühere Erörterungen
September 2004: Goldene Regel und Kategorischer Imperativ.
Darin:
boku wrote:
Beide Devisen besagen, dass das eigene Handeln je nach den gleichen Wertmaßstäben bewertet werden soll, wie das Handeln der anderen.
November 2005: Kategorischer Imperativ in Kants GMS.
Darin:
Schimmermatt wrote:
Kategorisch bedeutet: Gilt immer. Hypothetisch heisst: Gilt unter einer "Wenn, dann" - Prämisse.
Juni 2007: Kant: KI - Goldene Regel.
Darin:
Soso wrote:
Kant sagt, der KI ließe sich gänzlich aus der Vernunft herleiten, da brauche es keine Zwecke. (Natürlich kommen bei Kant die Zwecke hintenrum wieder rein, wenn der Einzelne in Anwendung des KI sich fragt "kann ich WOLLEN, dass dies und jenes allgemeines Gesetz würde?". Dazu kommt, dass Kant Vermögen und Leistungsfähigkeit der Vernunft völlig überschätzt, wodurch der ganze Kram ebenfalls zusammenstürzt.)
Eine Fliegesche Nutzanwendung von Kants KI:
Fliege (im Thread "Wie lässt sich mit der Selbstzweckformel von Kant beweisen,das raubkopieren unmoralisch ist?") wrote:
Jeder Mensch soll Zweck und nie Mittel sein.
Um das zu verwirklichen, muss jeder Mensch wissen, dass er Zweck und nie Mittel ist.
Dieses Wissen erlangt jeder Mensch durch Bildung.
Bildungsmöglichkeiten dürfen nicht eingeschränkt werden, weil sonst Menschen von diesem Wissen abgeschnitten wären.
Bildungsmöglichkeiten wären eingeschränkt, würde das finanzielle Vermögen eines Menschen eine Zugangsvoraussetzung für Bildung sein.
Bücher ermöglichen Bildung.
Bücher müssen ohne finanzielle Rücksichten zugänglich sein.
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Raubkopieren ist zulässig, sofern die finanziellen Mittel nicht ausreichen, und ist in diesem Fall sogar geboten.
Nun abschließend eine Sollensbetrachtung von Fliege:
Fliege (im Thread "Objektive Beschreibung des Mangels") wrote:
Begriffsstutzig wrote:
nur erscheint es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass insbesondere der Ausdruck "sollen" je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen haben kann und dass so ein und der selbe Sachverhalt je nach Perspektive sowohl als Mangel als auch als Nicht-Mangel erscheinen kann. Vielleicht ist das trivial.
Bei Sollen lässt sich gut mit Kants Unterscheidung zwischen kategorischem Sollen und hypothetischem Sollen arbeiten (Kants Terminologie selber ist nicht von Belang).
Schimmermatt (im Thread "Kategorischer Imperativ in Kants GMS" vom November 2005) wrote:
Kategorisch bedeutet: Gilt immer. Hypothetisch heisst: Gilt unter einer "Wenn, dann" - Prämisse.
Beispiel:
Wenn ich mit meinem Auto zur Documenta 13 in Kassel fahren möchte (Wunsch W) und das Auto fahruntüchtig ist (wunschrelvanter Sachverhalt S), dann kann ich nicht mit meinem Auto zur Documenta 13 in Kassel fahren (wunschrelevante Handlungsmöglichkeit H).
Wir können für die ableitbare Handlungsmöglichkeit zwei Wunschwerte einführen, nämlich: wunscherfüllend und wunschwidrig:
Wenn W und S, dann H, wobei H entweder wunscherfüllend oder wunschwidrig.
Nun können wir sagen bei "wenn W und S, dann H": S ist geeignet bzw. mangelhaft, wenn H wunscherfüllend bzw. wunschwidrig ist.
In Tabellenform:
Wenn W und S, dann H | H ............. | S ........ |
=====================================================
1 .................. | wunscherfüllend | geeignet . |
-----------------------------------------------------
2 .................. | wunschwidrig .. | mangelhaft |
-----------------------------------------------------
Man kann auch eine andere Betrachtung anstellen:
Wenn es kein S gibt, so dass H wunscherfüllend ist, dann ist W unerfüllbar bzw. illusionär.
Bei Kants kategorischem Sollen ist es so, dass eine scheinbar perspektivlose Betrachtung entsteht, indem vorab fixierte (apriorische) Wünsche Wfix angenommen werden. Da keine Wunschalternativen in Betracht gezogen werden, nennt Kant apriorische Wünsche auch nicht Wünsche, sondern Pflichten.
Statt "wenn W und S, dann H" steht bei ihm: Da Wfix und wenn S, dann H, wobei H nun entweder moralisch oder unmoralisch ist. Tatsächlich ist moralisch aber bloß Wfix-erfüllend und unmoralisch ist Wfix-widrig.
"Ein wackerer Engländer vermisst an den Deutschen Feinheit des Verständnisses, ja wagt zu sagen, der deutsche Geist scheint etwas Verbogenes, etwas Stumpfes, Ungeschicktes und Unglückliches zu haben" (Friedrich Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, 1874).